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Polystyrol EPS - Ökobilanz

Wärmedämmstoffe

Herstellung aus Erdöl; durch Destillationsprozesse wird Reinstyrol gewonnen, das durch Polymerisation zu Polystyrol wird; Expandierung zu EPS mit Treibgas Pentan, Weiterblähung mit Wasserdampf, dabei Verschweißung zu Schaumstoffgefüge, abschließend Zurechtschneiden der Blöcke zu Platten; (Produktfarbe weiß)
Eigenschaften: unverrottbar, beständig gegen Säuren und Alkalien, nicht beständig gegen Lösemittel und UV-Strahlung, fäulnisresistent, gering sorptionsfähig, schwerentflammbar Brandklasse B1 (Euroklasse E)

Herstellung

Energieverbrauch (Graue Energie)
Polystyrol EPS
105 MJ/kg
Polystyrol XPS
109 MJ/kg
Polyurethan
102 MJ/kg
Bestandteile in der Rohmasse (in Vol.-%)
- →Styrol, 6% Pentan als Treibmittel (entweicht zum Großteil bei der Herstellung)
- Weichmacher, Pigmente, Stabilisatoren, ca. 1% Flammschutzmittel (HBCD)
Verfügbarkeit der Rohstoffe
- begrenzt (Erdölprodukt)

Nutzung

Schadstoffe bei der Verarbeitung am Bau
- bei der Bearbeitung mit Heißdraht entstehen giftige Dämpfe; Grenzwerte und Einstufungen: MAK-Wert für Styrol: 20 ml/m³; MAK-Wert für Ethanol: 1000 ml/m³
Schadstoffbelastung im eingebauten Zustand
- Styrolemissionen aus fabrikneuen Platten (Polystyrol darf erst nach 4-wöchiger Lagerung in den Handel gelangen)
- im Brandfall starke Rauchgasentwicklung, Enstehung giftiger Brandgase, die hochgiftige Dioxine und Furane bilden können (HBCD siehe →Flammschutzmittel)

Rückbau

Entsorgung
- Verbrennung in Abfallverbrennungsanlagen, danach Deponierung als Sonderabfall
Verwertung
- Wiederverwertung von Produktionsresten bereits praktiziert
- für gebrauchte Dämmstoffe derzeit nur sehr eingeschränkte Verwertungsmöglichkeiten (z.B. als Aussparungskörper im Betonbau)
Rückbauaufwand
- gering bei losem Einbau, hoch bei Verklebung

Zusammenfassung

Expandiertes Polystyrol gehört unter den organischen Dämmstoffen zur Gruppe der Schaumkunststoffe.
Rohstoff für EPS ist Erdöl. Die Produktion von EPS erfolgt durch Vorschäumen mit dem Treibmittel Pentan zu Partikeln, die dann mittels Wasserdampf >100° C zu Perlen aufgeschäumt und miteinander verschweißt werden. EPS besteht zu 98% aus Luft und zu 2% aus Polystyrol. Den größten Teil der Grauen Energie (ca. 90%) verursacht der Grundstoff Styrol und dessen Polymerisation; Flammschutzmittel, Treibgase und andere Zusatzstoffe sowie die weitere Herstellung spielen dagegen nur eine untergeordnete Rolle. Insgesamt beträgt die Graue Energie für die Herstellung ca. 105 MJ/kg Dämmstoff. Für die Styrolherstellung wird in der Literatur ein Styrol-Emissionspotenzial von mehreren tausend Tonnen pro Jahr angegeben. Auf Polystyroldämmstoffe bezogen liegt der Wert bei max. 150 t/a (Angaben: Umweltbundesamt). Styrol ist biologisch leicht abbaubar. In der Atmosphäre wird es durch Reaktion mit Hydroxylradikalen (Halbwertzeit 6 h) rasch umgesetzt. Auch bei unter Nutzungsbedingungen durchgeführten Messungen in 16 Gebäuden ergab sich bis zur Nachweisgrenze von 0,01 mg/m³ Raumluft kein Styrol. Pentan wird ebenfalls aus Erdöl hergestellt und verdampft bereits während der Herstellung von EPS (hoher Photosmog-Beitrag). In der Atmosphäre ist es in wenigen Tagen zu CO2 und Wasser umgesetzt (geringer CO2-Beitrag).
Als Flammschutzmittel (zur Einstufung in Baustoffklasse B1) wird für EPS ausschließlich Hexabromcyclododekan (HBCD) eingesetzt. HBCD erfüllt die Kriterien für persistente (in der Umwelt nicht leicht abbaubare), bioakkumulierende (sich in Organismen anreichernde) und toxische (giftig für Mensch, Ökosysteme oder Organismen) Stoffe (PBT-Stoffe) der neuen europäischen Chemikalienverordnung REACH. PBT-Stoffe sind schrittweise seit dem 01. Juni 2009 zulassungspflichtig. Das bedeutet, PBT-Stoffe dürfen nur noch unter ganz bestimmten, strengen Auflagen zum Einsatz kommen, und das auch nur solange keine geeigneten Ersatzstoffe oder Ersatzprodukte vorhanden sind.
Bei der Entsorgung sollte EPS thermisch vorbehandelt werden, insbesondere um Glühverluste zu vermeiden, bzw. den vorhandenen Heizwert zu nutzen. Für saubere EPS-Abfälle ist eine Wiederverwertung z.B. als Schüttdämmstoff möglich, wegen des hohen Arbeitsaufwandes jedoch weder ökologisch noch ökonomisch vertretbar.

Fazit:
Expandiertes Polystyrol ist bei niedriger Wärmeleitzahl (bis 0,032 W/mK) und geringer Rohdichte ein technisch sehr gut geeigneter Wärmedämmstoff. Bevorzugt geeignet für die energetische Sanierung des Altbaubestandes sind EPS-Platten, die mit dem Zusatz von Graphit geschäumt werden. EPS Graphit schneidet in den einschlägigen Ökobilanzierungen sowohl bei der Flachdach- als auch bei der Fassadendämmung (→ Wärmedämmverbundsysteme WDVS) sehr günstig ab.
An EPS wird jedoch auch das Dilemma deutlich, Ökobilanzen als ausschließliches Kriterium für die Dämmstoffwahl heranzuziehen. Denn kann ein Dämmstoff mit dem Flammschutzmittel HBCD noch für die ökologische Produktauswahl infrage kommen? Nach der neuen europäischen Chemikalienverordnung REACH erfüllt HBCD die Kriterien für persistente, bioakkumulierende und toxische Stoffe. Solange die Hersteller der Polystyroldämmstoffe HBCD verwenden (und das ist derzeit durchweg der Fall), hält das Umweltbundesamt Maßnahmen zur effektiven Vermeidung der HBCD-Emissionen in allen Produktlebephasen kurzfristig für erforderlich. Des weiteren plädiert das Umweltbundesamt dafür, zur Wärmedämmung - soweit technisch möglich - andere umweltverträgliche Dämmmaterialien zu verwenden, bis ein alternatives Flammschutzmittel für Polystyrol gefunden ist.

Praxistest

Vergleicht man die einschlägigen Ökobilanzdaten zu Dämmstoffen für die Anwendungsfälle Flachdach, hinterlüftete Fassade und WDVS schneidet EPS Graphit am günstigsten ab. Hier führt das einseitige Addieren von Ökopunkten jedoch in eine Sackgasse. Kernpunkt der ökologischen Bewertung von EPS ist das Flammschutzmittel HBCD, das gemäß der neuen europäischen Chemikalienverordnung REACH als giftig eingestuft ist für Mensch, Ökosysteme und Organismen. Einen HBCD-haltigen Dämmstoff noch als "ökologisch" einzustufen, wäre also paradox. Ein Witz auch, dass laut REACH nur professionelle Hersteller, Lieferanten und Händler auf die Giftigkeit von HBCD hinzuweisen sind, nicht aber der Endkunde. Das heißt, auf dem Beipackzettel herrscht weiter eitel Sonnenschein (Stand 11/2010).
In der Praxis als störend empfinde ich außerdem den deutlich wahrnehmbaren Geruch nach Styrol, der einem schon beim Öffnen der Styroporpakete entgegenschlägt, der aber auch beim Schneiden (Sägen oder Heizdrahtschneiden) der Platten wahrnehmbar ist. Der Geruch verflüchtigt sich zwar rasch, dennoch bleibt ein Unbehagen, da das Einatmen von Styroldämpfen als gesundheitsschädlich gilt. Wegen möglicher Styrolemissionen empfehle ich beim Verarbeiten der Platten außerdem das Tragen von dampfdichten Handschuhen.
Verwendung von Polystyrol in Innenräumen? Aufgrund von HBCD können im Brandfall neben den üblichen Verbrennungsgasen hochgiftige Dioxine und Furane entstehen. Wer will das verantworten?

Quellen

- eco-devis 342, Basel 2002 (www.eco-bau.ch)
- www.wecobis.de
- Umweltbundesamt: Bromierte Flammschutzmittel - Schutzengel mit schlechten Eigenschaften?; Presseinformation 020/2008; Berlin, 2008
- www.natureplus.org/
- www.positivlisten.de
- www.baubook.at
- Kasser, Ueli (Büro für Umweltchemie, Zürich): dämmstoff-spider (www.dämmstoff-spider.ch), Zürich 2009
- Mötzl, H., Zelger, T. (Hrsg.: IBO - Österreichisches Institut für Baubiologie und -ökologie, Donau-Universität Krems, Zentrum für Bauen und Umwelt): Ökologie der Dämmstoffe, Wien 2000
- TH Darmstadt, Institut WAR: Untersuchung des Recyclings von Stoffsystemen aus Styropor, FB T 2798 (1997)
- Carbotech AG: Ökologische Beurteilung von Wärmedämmstoffen, Basel 2000 (www.stoag.ch)

Die vorliegenden Datenblätter wurden mit freundlicher Genehmigung des Blok Verlag dem Buch "Nachhaltiges Bauen in der Praxis" entnommen.

Verfasser der Baustoff-Datenblätter:
Bernhard Kolb, seit über 30 Jahren tätig im Bereich energieeffizientes und nachhaltiges Bauen. Zahlreiche Veröffentlichungen zum Thema.

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