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Wärmedämmverbundsysteme (WDVS) - Ökobilanz

Wärmedämmstoffe

Ein Wärmedämmverbundsystem („Thermohaut“), umgangssprachlich auch als Vollwärmeschutz bezeichnet, besteht hauptsächlich aus einem Wärmedämmstoff, der mit Klebemörtel (und evtl. Spezialdübeln) auf der Außenwand befestigt wird. In die Oberfläche wird ein Gittergewebe in Klebemörtel eingebettet und darauf ein Putz aufgebracht.
Eignung: für die Wärmedämmung von Außenwänden an neuen und bestehenden Gebäuden

Herstellung

Energieverbrauch (Graue Energie)
WDVS mit 20 cm EPS 040 (15 kg/m³)
ca. 405 MJ/m²
WDVS mit 20 cm Steinwolle 040 (120 kg/m³)
ca. 515 MJ/m²
Schadstoffe
- keine Angaben
Bestandteile
- Befestigungs- und Klebeschicht (Baukleber), Dämmschicht, Armierungsschicht mit Klebemörtel und Kunststoffgewebe, Putzschicht (Mineralputz, Kunstharzputz, Silikatputz, Silikonharzputz)
Verfügbarkeit der Rohstoffe
- keine Angaben

Nutzung

- siehe →Polystyrol-Hartschaum (EPS), →Steinwolle, →Schaumglas, →Mineralschaumplatten, →Holzfaser-Dämmstoffe, →Kork-Dämmstoffe, →Kunstharzputz, →Leichtputz

Rückbau

Entsorgung
- abhängig vom Dämmstoff
Verwertung
- abhängig vom Dämmstoff
Rückbauaufwand
- gering bis hoch (je nach Einbausituation und Stoffverbund)

Zusammenfassung

Wärmedämm-Verbundsysteme eignen sich primär für die Fassadendämmung. Sie gelten als kostengünstig und können sowohl für Neubauten als auch zur Altbausanierung eingesetzt werden. Als Wärmedämmstoff wird überwiegend expandiertes →Polystyrol (EPS) verwendet (Marktanteil ca. 85 %), daneben →Steinwolle, seit neuerem auch →Mineralschaum und Kork.
Nachhaltigkeit:
WDV-Systeme sparen wertvolle Heizenergie und leisten damit einen bedeutenden Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung des energiesparenden Bauens und Wohnens. Entscheidenden Einfluss auf die Reduzierung der Heizenergie haben vor allem die gewählte Gesamtdicke der Dämmung sowie die Wärmeleitfähigkeit des Dämmstoffes. Auch das ökologische Profil wird hauptsächlich durch den verwendeten Dämmstoff geprägt. EPS ist ein Erdölprodukt und wird mit dem unkritischen Pentan geschäumt. Als →Flammschutzmittel enthält EPS Hexabromcyclododekan (HBCD). Dieser Stoff bleibt auch über Jahre im Dämmstoff fest eingebunden, jedoch stuft das Umweltbundesamt HBCD in die Gruppe der Flammschutzmittel mit problematischen Eigenschaften ein und rät zur Reduzierung.
Steinwolle wird aus geschmolzenem Gestein (Basalt, Dolomit, etc.) hergestellt und besteht im wesentlichen aus nicht brennbaren Mineralfasern. Zum Schutz des Verarbeiters vor gesundheitsschädlichen Feinstfasern sollte ausschließlich →Steinwolle der Kl-40-Qualität verwendet werden.
Zur Bilanzierung der Herstellung der WDV-Systeme werden die Herstellungsprozesse sämtlicher Systemkomponenten (Dämmstoff, Kleber, Armierung und Putz) analysiert. Beim Gesamtenergieaufwand schneiden WDV-Systeme mit graphitiertem EPS und mineralischem Putz am besten ab. Auch der Anteil des Dämmstoffes an den Gesamtemissionen (Treibhauseffekt, Versauerung) fällt für EPS-Dämmstoffe günstiger aus als mit Steinwollesystemen. Bei letztgenannten Kriterien schneiden nur Mineralschaumplatten noch etwas besser ab.
WDV-Systeme bestehen i.d.R. aus miteinander verklebten sortenfremden Schichten, die sich beim Rückbau selten sauber voneinander trennen lassen. Nur saubere Dämmplatten aus EPS und Steinwolle können an den Hersteller/Lieferanten zurückgegeben werden. Für WDV-Systeme mit EPS-Platten kommt eine thermische Verwertung nicht infrage, da der Heizwert mit ca. 1500 kJ/kg zu gering ist. Mineralschaumplatten können für mineralische Recyclingbaustoffe verwertet oder als Bauschutt deponiert werden. Allerdings ist auch bei Mineralschaumplatten eine sortenreine Trennung z.B. von Ziegelschutt erforderlich.
Seit einigen Jahren wird an hochwärmegedämmten verputzten Fassaden (insbes. Gebäudenordseite) verstärkt Algenbewuchs beobachtet. Im allgemeinen ist diese Verfärbung der Fassade ein optischer und kein technischer Mangel (die Wetterschutzfunktion der Putzschicht bleibt erhalten). Wirkstoffe gegen den Algenbewuchs (Algizide) helfen nur vorübergehend, sie werden mit der Zeit ausgewaschen und belasten dann Gewässer und Böden. Laut Herstellerangaben sollen am ehesten glatte Putze und wasserabweisende Anstrichsysteme vorbeugend gegen Algenbewuchs helfen.
Fazit:
WDV-Systeme leisten einen wertvollen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung des energiesparenden Bauens im allgemeinen und zur wärmetechnischen Verbesserung des Gebäudebestandes im besonderen. Wer sich deshalb heute für ein starkes Dämmsystem entscheidet, geht einen wichtigen Schritt in eine nachhaltige Zukunft. Bei der nachträglichen Dämmung im Gebäudebestand sind Dämmstoffdicken von mindestens 16 cm anzustreben. Das ökologische Optimum für WLG 035 liegt bei Dämmstärken von 23 bis 100 cm, das wirtschafliche bei 12 bis 20 cm, mit KfW-Förderung bei 16 bis 24 cm.
Im ökologischen Vergleich haben Systeme mit EPS-Graphit ("graue" Platten) die Nase vorn, gefolgt von EPS ohne Graphit, Steinwolle und Kork. Obwohl der Unterschied von graphitiertem zu herkömmlichem EPS nur in einem Zusatz von 0,5 % Graphit liegt, ergibt sich eine beträchtliche Steigerung der Ökoeffizienz. Dies verdankt EPS-Graphit dem tiefen Wärmeleitwert sowie einem niedrigen spezifischen Gewicht (weniger Masse).
Bei den Deckputzen schneiden die mineralischen Varianten am besten ab (vgl. Abb. 1). Ab einer Dämmstoffdicke von 80 mm sind rein mineralische Putze jedoch einer erhöhten Rissgefahr ausgesetzt. Günstiger verhalten sich hier Silikatputz und Silikonharzputz.
Allerdings sind gerade Putz- und Anstrichwahl ohnehin immer von der Dämmstoffwahl abhängig. Denn aus Gewährleistungsgründen muss das WDV-System einschließlich Kleber, Putz und Anstrich immer aus einer Herstellerhand stammen.
Oberster Grundsatz beim Dämmen: Nicht sparen an der Dämmstärke, sondern dämmen, was das Zeug hält.

Praxistest

Vergleicht man die einschlägigen Ökobilanzen zu WDVS-Systemen miteinander, schneidet EPS Graphit besonders günstig ab. Nicht nur aus Sicht der Grauen Energie - auch was die Kriterien "Ressourcenschonung", "Verarbeitungssicherheit" und "Klimafreundlichkeit" anbelangt. Dennoch verbleibt bei der Wahl von EPS ein schlechter Nachgeschmack:
- wegen des eingesetzten Flammschutzmittels HBCD. HBCD ist seit Juni 2009 gemäß der neuen europäischen Chemikalienverordnung REACH als giftig eingestuft für Mensch, Ökosysteme und Organismen.
- wegen des deutlich wahrnehmbaren Geruchs nach gesundheitsschädlichem Styrol, der einem schon beim Öffnen der Styroporpakete entgegenschlägt, der aber auch beim Schneiden (Sägen) der Platten deutlich wahrnehmbar ist.
- wegen der Schweinerei auf der Baustelle, wenn beim Zuschneiden der Platten die Styroporpartikel beim kleinsten Windhauch durch die Gegend fliegen. Angeblich finden sich die Styrokügelchen auch im Magen von Vögeln und Fischen.

Wegen HBCD empfiehlt das Umweltbundesamt, "zur Wärmedämmung - soweit technisch möglich - andere umweltverträgliche Dämmmaterialien zu verwenden". Die Alternativen zu EPS: →Steinwolle, →Kork. Diese Materialien stehen in der Ökobilanz nur wenig schlechter da als EPS Graphit und liegen etwa gleichauf mit EPS Standard. Zu →Mineralschaumplatten fehlen belastbare vergleichende Ökobilanzdaten. Bliebe noch die →Holzfaserplatte, die sich immer größeren Zuspruchs erfreut. Aber ob das eine gute Lösung ist, z.B. für stark witterungsbelastete Fassaden? Holzfaserdämmplatten empfehle ich eher für hinterlüftete Konstruktionen, z.B. für die Aufdachdämmung.

Silikatputz oder Silikonharzputz? Silikatputz hat die klar bessere Ökobilanz. Doch für ungeschützte, stark wetterbelastete Fassaden würde ich eher zum Silikonharzputz greifen. Silikonharzputz hält hartnäckig widrigsten Wetterbedingungen stand. Der Beweis: Putzspuren auf der Arbeitswäsche überstehen Dutzende von 40º-Wäschen vollkommen unbeschadet... Mit Silikonharzputz und Silikonharzfarbe kannst du sogar deine Kleider beflocken.

Quellen

- Institut für Bauforschung, Hannover: Wärmedämmverbundsysteme im Wohnungsbau, Hannover 1997
- Umweltbundesamt: Bromierte Flammschutzmittel - Schutzengel mit schlechten Eigenschaften?; Presseinformation 020/2008; Umweltbundesamt, Berlin 2008
- www.natureplus.org/
- www.positivlisten.de
- Eyerer, Peter; Reinhardt, Hans-Wolf: Ökologische Bilanzierung von Baustoffen und Gebäuden, Basel 2000
- www.eco-bau.ch (eco-devis Merkblatt Nr. 342)
- Kasser, Ueli (Büro für Umweltchemie, Zürich): Dämmstoff-Spider (www.dämmstoff-spider.ch)
- Feist, Wolfgang/Passivhaus Institut: Einsatz von Passivhaustechnologien bei der Altbaumodernisierung (Protokollband Nr. 24), Darmstadt 2003

Die vorliegenden Datenblätter wurden mit freundlicher Genehmigung des Blok Verlag dem Buch "Nachhaltiges Bauen in der Praxis" entnommen.

Verfasser der Baustoff-Datenblätter:
Bernhard Kolb, seit über 30 Jahren tätig im Bereich energieeffizientes und nachhaltiges Bauen. Zahlreiche Veröffentlichungen zum Thema.

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