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Zellulosedämmung - Ökobilanz

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Wärmedämmstoffe

Faserdämmstoff aus recycelten Tageszeitungen (aus Remittenden = nicht benutztes Zeitungspapier), hergestellt durch mechanisches Zerkleinern von Altpapier und Beigabe von Zusätzen; Verarbeitung: Einblasverfahren, Aufblasverfahren, Aufspritzverfahren (Fasern angefeuchtet) für senkrechte Wände
Eigenschaften: wärmedämmend, wärmespeichernd, schalldämmend, sorptionsfähig, Brandklasse B2 oder B1

Herstellung

Energieverbrauch (Graue Energie)
Zelluloseflocken
ca. 3,2 MJ/kg
Zellulosefaserplatten
ca. 21,8 MJ/kg
Hanffaser
ca. 15,0 MJ/kg
Polystyrol EPS
ca. 105 MJ/kg
Schadstoffe
- vorwiegend aus Verbrennungsprozessen (Transportenergie, Verstromung)
Bestandteile
- 80 - 90 % Papierflocken aus Altpapier (Papierrecycling)
- ca. 12 - 20 % Borax o. ca. 8 % Ammoniumpolyphosphat, ca. 2 % Naturharze
Verfügbarkeit der Rohstoffe
- ausreichend (vorsortierte Tageszeitungen aus Remittenden-Beständen)

Nutzung

Schadstoffe bei der Verarbeitung am Bau
- Grenzwerte und Einstufungen:
Holzstaub: TRK: 2 mg/m³ gemessen in der einatembaren Fraktion, Gefahr der Sensibilisierung; EG-Kategorie K3: Stoffe, die wegen möglicher krebserzeugender Wirkung beim Menschen Anlaß zur Besorgnis geben; Feinstaub: MAK: 6 mg/m³; Boroxid: MAK: 15 mg/m³ gemessen in der einatembaren Fraktion
Schadstoffbelastung im eingebauten Zustand
- bei dichtem Einbau keine Innenraumbelastung zu erwarten

Rückbau

Entsorgung
- thermische Verwertung in Abfallverbrennungsanlagen
Verwertung
- im Ein- oder Aufblasverfahren eingebrachte Zellulose kann wieder aufgenommen und in neuen Aufgabenbereichen als Dämmstoff eingesetzt werden.
Rückbauaufwand
- gering

Zusammenfassung

Zellulosefasern bestehen aus Altpapierflocken, die mit Spezialgeräten in Hohlräume eingeblasen oder auch im Sprühverfahren unter Zugabe von Wasser bis zu 20 cm Dicke auf bestehende Untergründe aufgespritzt werden.
Nachhaltigkeit:
Rohstoff für Zellulosedämmstoffe ist i.d.R. Altpapier aus Zeitungs-Remittenden (nicht verkaufte Zeitungen). Der Rohstoff wird bei der Altpapiersammlung gesondert erfasst und direkt an die Dämmstoffhersteller geliefert. Der Einzugsbereich beschränkt sich meist auf einen Umkreis von 50-100 km. Zelluloseflocken werden in Deutschland von mehreren Herstellern angeboten, z.T. sind Hersteller zugleich Recyclingunternehmer. Grundsätzlich ist das Recycling von Altpapier ein Beitrag zum Umweltschutz, mit der Verwertung als Dämmstoff wird das Recyclingpotential optimal genutzt. Zudem stehen mit ca. 1 Million Tonnen an nicht verwertetem Zeitungspapier derzeit Materialressourcen im Überfluss zur Verfügung.
Der Herstellungsprozess der Zelluloseflocken ist auf wenige einfache Produktionsschritte beschränkt. Zunächst wird das Zeitungspapier zerschnitzelt, dann mit Zusätzen vermischt und in einem mehrstufigen Zerreiss- und Mahlverfahren zerfasert. Anschließend werden die Fasern aufgelockert, leicht verdichtet und in Papiersäcke verpackt. Als Brand- und Fäulnisschutz sind je nach Produkt 12 - 20 % Borax zugegeben. Borax wird überwiegend aus der Türkei oder aus Amerika als Colemaniterz bezogen und hierzulande aufbereitet. Unter Umweltgesichtspunkten ist Borax kein idealer Zusatzstoff (→Flammschutzmittel). Bei als „boratfrei“ bezeichneten Produkten wird stattdessen ca. 8 % Aluminiumpolyphosphat eingesetzt. Insgesamt ist der Primärenergieaufwand für Zelluloseflocken mit ca. 190 MJ/m³ (Dichte 45 kg/m³) sehr gering (PEI-Anteil Borax ca. 95 MJ/m³). Ebenfalls gering ist das durch die Herstellung verursachte Treibhauspotenzial (0,23 kg CO2-Äq./kg Dämmstoff).
In der Nutzungsphase geht von Zellulosefasern i.d.R. keine Gesundheitsgefährdung aus. Für einige Produkte wird dies durch Zertifikate von Prüfinstituten gesondert bestätigt (s. Internetadressen). Zellulosedämmstoffe mit mind. 80 % Altpapieranteil erhalten das Umweltzeichen RAL-UZ 36.
Kritisch ist dagegen die Einbauphase von Zellulosefasern zu sehen: In einem Simulationsversuch wurden hohe Feinstaubemissionen gemessen (beim Einblasverfahren 11 mg/m³, beim Sprühverfahren 21 mg/m³, damit jeweils deutliche Überschreitung des TRK-Grenzwertes von 2 mg/m³ für Holzstaub). Für die organischen Zellulosefasern exisitiert zur Zeit zwar kein Grenzwert, doch stuft die Bau-Berufsgenossenschaft die Zellulosefaser nach dem TRK-Grenzwert für Holzstaub ein („eine krebserzeugende Wirkung der freigesetzten Holzstäube wird vermutet“). I. allg. ist ein viel zu sorgloser Umgang mit „ökologischen“ Dämmstoffen zu beobachten. Beim Einblasverfahren kann die Staubfracht drastisch reduziert werden, sofern sich ein geschlossener Einblas- und Ansaugkreislauf herstellen und das Einblasgerät automatisch befüllen lässt.
Fazit:
Mit einer Wärmeleitfähigkeit von 0,040-0,045 W/mK erweisen sich Zelluloseflocken bautechnisch und bauökologisch als sehr gut geeigneter Wärmedämmstoff. Als Rohstoff trägt Altpapier zur Ressourcenschonung bei, die Produktionsschritte der Dämmstoffherstellung sind einfach und mit geringer Grauer Energie sowie geringen Umweltbelastungen (geringes Treibhauspotenzial) verbunden. Aus dieser Sicht erweisen sich Zellulosefasern als Dämmstoff mit sehr hoher Nachhaltigkeit. Die Nachteile: Beim Einbringen der Zellulosefasern kann es zur Freisetzung lungengängiger Feinstfasern kommen. Auch ist das →Flammschutzmittel Borax/Borsäure ökologisch gesehen keine ideale Wahl. Allerdings haben einige Hersteller ihre Produktion bereits auf boratfreie Zellulose umgestellt. Auch für das Einblasverfahren werden inzwischen weitgehend staubfreie Technologien entwickelt.

Praxistest

Meine ersten Erfahrungen mit Zelluloseeinblasdämmung reichen bis in die 80er Jahre zurück. Damals bestand das Einblasgerät aus einer Art umgedrehter Staubsauger. Die Staubentwicklung beim Einblasen war enorm. Wir arbeiteten ohne Staubmaske nach dem Motto "a Guada hälts aus" (zu Deutsch: ein Guter hält es aus). Heute wird das Einblasverfahren ausschließlich von zertifizierten Handwerksbetrieben durchgeführt. Im Handumdrehen sind die vorbereiteten Gefache gedämmt. Die Einblasgeräte arbeiten im geschlossenen Kreislauf, Staubentwicklung damit gleich Null. Durch den leichten Überdruck können auch verwinkelte Hohlräume ausgeblasen werden.
Mein Eindruck von Zelluloseeinblasdämmung: lückenlose bzw. wärmebrückenfreie Dämmung, gute Alternative zur Mineralfaser, sehr gutes Preis-Leistungsverhältnis.
Wichtig beim Dämmen mit Zelluloseflocken: Luftdichte, aber klimaaktive Ebene zur Raumseite hin schaffen. Als Dampfbremse verwende ich die Intello plus (www.proclima.de), für Verklebungen das gelbe Sicrall-Klebeband (klebt wie der Teufel und das hoffentlich über viele Jahrzehnte) (www.siga.ch) und den lösemittelfreien Siga primur-Kartuschenkleber für Bauteilnschlüsse (ebenfalls von www.siga.ch). Das alles kostet etwas mehr, dafür hat man aber eine klimatisch top funktionierende Abdichtung - sorgfältiges Arbeiten natürlich vorausgesetzt.
Auf gute Diffusionsfähigkeit der Dämmkonstruktion ist bei Zellulose besonders zu achten, weil Zellulose-Dämmstoff und Holzkonstruktion über den Sommer langsamer austrocknen als z.B. bei Dämmung mit Mineralfaser. Ökotip: "boratfreie" Zellulose wählen (siehe Blauer Engel Produkte RAL-UZ 36). Nur dann nämlich ist die Zellulosefaser mit der Mineralfaser ökobilanzmäßig auf Augenhöhe.

Häufig gestellte Frage: Kann man Zellulose nachträglich in Hohlräume einblasen, die über keine Hinterlüftung und keine Dampfsperre verfügen.
Antwort: Ja, wenn raumseitig eine Dampfbremse aufgebracht wird. Für solche Zwecke bietet die Fa. Moll eine Dampfbremstapete (Santa UT/DT) an. Da die Tapete recht schwer ist, hilft kein üblicher Tapetenkleister, sondern nur Gewebekleber. Dabei handelt es sich um einen Weißleim, über dessen ökologische Qualität man streiten kann. Wenigstens ist der Leim wasserlöslich und enthält keine dampfenden Lösungsmittel...

Quellen

- www.wecobis.de
- www.natureplus/org
- www.positivlisten.de
- www.baubook.at
- www.eco-bau.ch (ECO-BKP Merkblatt 224), Ausgabe 2009
- Mötzl, H., Zelger, T. (Hrsg.: IBO - Österreichisches Institut für Baubiologie und -ökologie, Donau-Universität Krems, Zentrum für Bauen und Umwelt): Ökologie der Dämmstoffe, Wien 2000
- http://www.eco-umweltinstitut.com/zertifizbda.htm
- http://www.ibo.at/pruef.htm
- http://www.oekotest.de


Die vorliegenden Datenblätter wurden mit freundlicher Genehmigung des Blok Verlag dem Buch "Nachhaltiges Bauen in der Praxis" entnommen.

Verfasser der Baustoff-Datenblätter:
Bernhard Kolb, seit über 30 Jahren tätig im Bereich energieeffizientes und nachhaltiges Bauen. Zahlreiche Veröffentlichungen zum Thema.

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